Blog zum Europatag am 9. Mai.
Deswegen ist die EU-Wahl so wichtig … für dich, für mich, für uns: Wir bauen an Europa, dass es noch lange steht!
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
Was haben die 80er Jahre Kultband „Geier Sturzflug“ und ihr Hit „Bruttosozialprodukt“ mit der EU und den EU-Wahlen gemeinsam?
Jedenfalls mehr als Sie denken 🙂
Aber dazu später hier im Blog, beginnen wir zuerst mit der Entwicklung der EU und ihre Bedeutung für unser Bundesland Kärnten.
Kärnten liegt im Herzen Europas. Am Schnittpunkt der drei großen Sprachgruppen und Kulturen, die den Kontinent entscheidend geprägt haben. Unser Land entwickelt sich auch politisch und wirtschaftlich immer mehr zu einem wichtigen Scharnier zwischen den germanisch, romanisch und slawisch geprägten Staaten. Ich erlebe diesen Bedeutungszuwachs besonders deutlich als Vertreter Kärntens im europäischen Ausschuss der Regionen (AdR). Das Interesse an Kärnten und an der Weiterentwicklung sowie den Möglichkeiten, die unser Bundesland bietet, wächst und wächst. Außerhalb der Grenzen Kärntens, genießen wir sehr viel Zuspruch, haben die Menschen ein gänzlich anderes Bild, als es uns daheim manche Medien vermitteln, ja einreden oder besser „einschreiben“ wollen. Aber wie heißt es in der Bibel sinngemäß: Ein Prophet gilt nirgend weniger denn in seinem Heimatland.
Zurück zur EU und warum die EU für Kärnten vielleicht nicht alles, aber Kärnten ohne die EU Nichts ist. Bei den regelmäßigen Konferenzen und den vielen Gesprächen mit führenden politischen Verantwortungsträgern aus anderen EU-Ländern wird klar: Die Europäische Union ist nicht nur der Schlüssel, damit Europa seine Stellung in der Welt behaupten kann. Die EU ist auch der beste Hebel, dass ein Land wie Kärnten weit über sich hinaus strahlen kann. Deshalb liegt mir unsere nächste Wahl besonders am Herzen.
Am 9. Juni 2024 ist die siebte Wahl zum Europäischen Parlament mit österreichischer Beteiligung. Diese Beteiligung war zuletzt die stärkste seit der Premiere als EU-Mitglied 1996. Fast 60 Prozent der wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher stimmten 2019 über unsere Vertretung im Europäischen Parlament ab. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Doch dass die Wahlbeteiligung in Kärnten die geringste aller Bundesländer war, finde ich enttäuschend und besorgniserregend.
Denn gerade Kärnten ist ein großer Nutznießer der Europäischen Union.
Das Fördervolumen und die Anzahl der von uns, von Kärntner Unternehmen, Gemeinden, Vereinen, Einzelpersonen eingereichten und genehmigten Projekte sprechen eine eindeutige Sprache: Kärnten und die Menschen im Land, ob im Zentralraum oder im ländlichen Raum, profitieren von der EU. Über zwei Milliarden Euro flossen seit dem EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 nach Kärnten. Wir sind damit Nettoempfänger und profitieren enorm. Alleine in der letzten Förderperiode 2014 – 2020 erhielt Kärnten aus den unterschiedlichen Aktionsprogrammen knapp 140 Millionen Euro – zusätzlich zu einer Milliarde Euro für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER). Kärnten hat über Einzelpersonen, Initiativen, Organisationen, Gemeinden und vielen Bereichen mehr, über 11.000 Projekte in Brüssel eingereicht, beginnend vom Arbeitsmarkt über Soziales bis hin zur Landwirtschaft, zu Bildung und Sport sowie Innovation.
Alleine diese Zahlen belegen also: Bei allem eingeforderten Verbesserungspotential, dass die EU und ihre Institutionen haben, ist die EU für Kärnten positiv, unverzichtbar und alternativlos.
Auch, weil geopolitische Entwicklungen, deren Auswirkungen wir alle, jede und jeder Einzelne von uns zu spüren bekommen, sei es in der Brieftasche oder am Arbeitsplatz, uns allen Anlass zu großer Sorge geben. Wir erleben Kriege, nicht weit von unseren Grenzen, sehen Unsicherheit und Spaltung. Nur ein starkes Europa kann gegen extreme Tendenzen auftreten und dazu gehört, dass Jede und Jeder vom Wahlrecht Gebrauch macht.
Österreich ist bald seit 30 Jahren Mitglied dieser Staatengemeinschaft, die für Frieden, wirtschaftlichen Aufschwung, Stabilität und Sicherheit steht. Parameter, die, wie wir am russischen Angriffskrieg sehen, nicht mehr als selbstverständlich und selbstregelnd anzusehen sind. Umso wichtiger ist es daher, direkte Demokratie zu leben und sie ganz offen zu demonstrieren, in dem man vom Wahlrecht Gebrauch macht. Apropos: Wissen Sie eigentlich, dass Österreich nur eines von fünf Ländern ist, in denen die Mitbestimmung bei EU-Wahlen bereits ab 16 Jahren möglich sei? Das ist etwas Großartiges. Meine großer Appell daher insbesondere auch an die Jugend: Geht zur Wahl und zeigt damit, dass die Jugend unser Europa stützt. Denn ihr seid die Zukunft!
Die Europäische Union hat Herausforderungen zu bewältigen, die vor allem auch für die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen von Bedeutung sind, etwa um Frieden und Wohlstand zu erhalten, den Klimawandel, der keine Grenzen kennt und damit nicht allein einzelstaatlich zu bewerkstelligen ist, die Migration, die jedes Land in Europa trifft oder der Fachkräftemangel, der sich in sämtlichen EU-Ländern bemerkbar macht. All diese Themen lassen sich nur gemeinschaftlich lösen. Und um sie lösen zu können, müssen die Vertreterinnen und Vertreter der Regionen und Staaten in Brüssel sitzen und unsere Aufgabe ist es, sie dorthin zu wählen.
Wir brauchen die EU heute mehr als jemals zuvor. Der geringste Aufwand, dieses Bedürfnis auszudrücken, ist zu wählen. Österreich hat zwar nur 20 der nun 720 Sitze im Europäischen Parlament. Doch es ist dort wie in jeder anderen Volksvertretung: Nicht allein die Zahl der Abgeordneten gibt den Ausschlag. Es kommt immer auch darauf an, wer was wie sagt. Das verleiht Gewicht und Einfluss. Wir werden beides brauchen.
Denn Europa, die EU, muss ein Fels in der Brandung sein, die immer stärker droht, alle demokratischen Werte hinweg zu spülen. Die schlimmsten Bedrohungen kommen durch die Kriege vor der Haustür, an den Grenzen der Union – vor unserer gemeinsamen Haustür. Die Verunsicherung entsteht aber auch durch die herbstliche Präsidentenwahl in den USA. Wir wissen nicht, wie Europas Partner sein Verhältnis danach definiert. Umso wichtiger ist ein Selbstverständnis von Europäischer Kommission, Europäischem Rat, Europäischem Parlament und auch dem Ausschuss der Regionen (AdR) nach dem Motto:
„Wir bauen an Europa, dass es noch lange steht!“
Diese Parole, die Überschrift zu meinem Text könnte den Älteren von Ihnen bekannt vorkommen. Ich will aber nicht nur an ein Lied erinnern, das in die Hitparaden kam, als ich 24 und Landesvorsitzender der Jungen Generation war. Denn aus heutiger Sicht kommen mir der Name der Interpreten und die Reihenfolge ihrer Hits geradezu prophetisch vor. Geier Sturzflug sangen zuerst „Ja, jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt“ und wenig später: „Dann ist alles längst zu spät. Dann ist, wenn schon nichts mehr geht. Besuchen Sie Europa, solange es noch steht.“
Das war 1983, als mein heutiger Koalitionspartner Martin Gruber gerade zur Welt gekommen ist. Zehn Jahre nach Aufnahme des Vereinigten Königreichs in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die EWG, die seit 1981 durch den Beitritt Griechenlands zehn Staaten umfasste. Österreich war damals noch bei der EFTA, der Europäischen Freihandelsassoziation. Sie war damals durchaus eine Konkurrenzorganisation zur späteren EG und letztlich EU. Und sie ist heute noch eine kleinere Staatenorganisation ohne gemeinsame politische Zielsetzungen und auch keine Zollunion.
Sie fragen sich jetzt wahrscheinlich, warum ich hier so weit aushole, warum ich mehr als 40 Jahre zurückblicke. Weil damals, im Sommer 1983 die Staats- und Regierungschefs der EG eine feierliche Deklaration zur Europäischen Union unterzeichneten – die erst einige Jahre später so heißen sollte. Es war eine politische Erklärung für ein politisches Zusammenrücken.
Zu diesem Zweck wurden aber Kultur und Bildung als die beiden treibenden Kräfte auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft bestimmt. Österreich ist dieser EU erst 1995 beigetreten – gemeinsam mit Finnland und Schweden.
Das Europäische Parlament ist eine Belegschaft für den Auf- oder auch Umbau von Europa, damit es noch lange steht. 720 Abgeordnete, die im Wechselspiel mit der EU-Kommission und den Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten den Rohbau absichern, der seit rund 70 Jahren Schritt für Schritt errichtet wurde. Zuerst von sechs Staaten mit gemeinsamen Interessen Kohle- und Stahlindustrie, dann von neun in einem größeren wirtschaftlichen Zusammenhang, am Höhepunkt von 28 mit zunehmend politischer Integration. Niederlagen inklusive. Mit dem Vereinigten Königreich hat die EU eines ihrer stärksten Mitglieder verloren. Die Trennung geschah trotz jahrelanger Verhandlungen so unmittelbar, dass uns manchmal nicht bewusst ist, dass sie sich erst in der noch laufenden Legislaturperiode vollzogen hat. Der schmerzlichste Verlust in der Geschichte der EU.
Noch schmerzlicher als der Austritt eines Mitgliedsstaates wäre für die Union aber die Abkehr ihrer Bürgerinnen und Bürger. Österreich rangiert bei Umfragen über das Vertrauen in die EU immer weit hinten. Das liegt auch daran, dass wir zu viele Politikerinnen und Politiker haben, die sich alle Erfolge der Europäischen Union vorzugsweise an die eigenen Fahnen heften, während sie als Urheber schlechter Nachrichten Europa vernadern – auch wenn sie dort mitgestimmt haben. Die Wahl zum Europäischen Parlament 2019, kurz nach dem Ibiza-Skandal in Österreich, war für mich ein schönes Zeichen, dass die Österreicherinnen und Österreicher trotzdem die Bedeutung der Union für uns alle erkannt haben. 60 Prozent Wahlbeteiligung waren ein gutes Signal für diese Wertschätzung. Auch Kärnten lag damals noch vor der durchschnittlichen Wahlbeteiligung von nur knapp über 50 Prozent in der EU. Ich hoffe,dass wir dieses Jahr am 9. Juni den Abstand vergrößern.
Jeder sollte etwas tun, damit Geier Sturzflug nicht nachträglich recht bekommen mit ihrem Refrain: „Dann ist alles längst zu spät. Dann ist, wenn schon nichts mehr geht.“
Wählen ist der beste Beitrag zu einem Europa, das noch lange steht – und besteht.
Peter Kaiser, 07.05.2024